AVIVA-Berlin >
Women + Work
AVIVA-BERLIN.de im November 2024 -
Beitrag vom 12.06.2006
Tanzen auf vielen Hochzeiten
AVIVA-Redaktion
Ergebnis einer Fragebogenaktion des Journalistinnenbundes (JB): Arbeitsbedingungen gefährden die wirtschaftliche Existenz von freien Journalistinnen. Gesine Strempel für ihr Lebenswerk geehrt.
Die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen haben sich dramatisch verschlechtert. Ein Großteil der frei arbeitenden Journalistinnen kann von ihrem Beruf alleine nicht mehr leben, sondern muss sich mit anderen Jobs über Wasser halten. Dieses Ergebnis einer Fragebogenaktion wurde auf im Rahmen der 19. Jahrestagung des Journalistinnenbundes (JB) am 10. und 11.6.2006 in Bonn Bad-Godesberg vorgestellt.
An der Umfrage des Journalistinnennetzwerkes hatten sich 108 überwiegend freiberufliche Medienfrauen beteiligt. Ein Drittel bezeichnete das eigene Einkommen als mangelhaft bis sehr schlecht. Die Umfrage ergab aber auch einen positiven Trend: In allen Bereichen des Journalismus gibt es neue Betätigungsfelder, zum Beispiel Textagenturen für Buch- und Filmbiografien, und damit mehr Chancen für freie Journalistinnen.
Auf der Jahrestagung konstatierten die Medienfrauen, dass die Honorare in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken sind. Honorare von 20 Cent pro Zeile sind keine Seltenheit. Sie machen das wirtschaftliche Überleben unmöglich. Immer mehr Journalistinnen üben deshalb eine weitere Tätigkeit aus. Sie schreiben Bücher, moderieren Veranstaltungen, nehmen Forschungsaufträge an oder unterrichten an Schulen. Journalistinnen, die gleichzeitig PR betreiben, geraten oft in einen Konflikt. Die Teilnehmerinnen der Jahrestagung waren sich einig, dass Journalistinnen auf keinen Fall über Personen oder Themen berichten sollten, für die sie auch Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Das Nebeneinander von mehreren Tätigkeiten bietet aber auch Chancen. Eine freie Journalistin, die auch an einer Schule unterrichtet, berichtete: Aus dem einen Bereich ziehe ich neue Ideen für den anderen.
Der Journalistinnenbund verlieh am Samstagabend die Hedwig-Dohm-Urkunde an die Berliner Hörfunkjournalistin Gesine Strempel. Mit dieser Auszeichnung ehrt das Netzwerk jedes Jahr eine Kollegin für ihr Lebenswerk und ihr frauenpolitisches Engagement. Sie ist nach der frauenpolitisch engagierten Journalistin Hedwig Dohm benannt, deren Geburt sich in diesem Jahr zum 175. Mal jährt. Die Preisträgerin Gesine Strempel arbeitet seit 1967 als Moderatorin, Autorin und Reporterin für die Zeitpunkte-Redaktion, früher SFB, heute RBB. Sie streitet für Themen wie die Aufarbeitung des NS-Regimes und ist in ihrer Streitbarkeit den Jüngeren ein Vorbild. Außerdem übersetzte Gesine Strempel die Werke bekannter amerikanischer Autorinnen. Die Regisseurin Helke Sander sagte in ihrer Laudatio, Strempel habe sich wie Hedwig Dohm immer für die Frauen eingesetzt. Beiden sei es gelungen, das Schöne mit dem Intelligenten zu verbinden. Die Preisträgerin merkte an: Mein berufliches Leben ist durch die Frauenbewegung geprägt. Sie habe das Medium Radio schon als Kind geliebt: Ich hatte das Glück in meinem Traumberuf arbeiten zu können.
Den Nachwuchspreis "Andere Worte, neue Töne" des Journalistinnenbundes bekam die freie Hörfunk- und Fernsehjournalistin Annette Walther für ihr Feature "Radioday 31.8.1997 - Goodbye England´s Rose". Es wurde im August 2003 im SWR gesendet. Die Autorin schildert die Berichterstattung an dem Tag, als Lady Di starb und mischt dabei reale und fiktive Ebenen. Die Jury des Journalistinnenbundes urteilte: "Dieser Blickwinkel auf die Medienwelt, auf das Verhalten der Berichterstattenden, der Hörerinnen und Hörer, aber auch der prominenten Menschen, über die berichtet wird, verblüfft, ist unkonventionell und sehr eigen. Die unüberhörbare Kritik an allen drei Positionen kommt dabei ohne Verurteilung aus und jongliert gekonnt mit dem Medium Radio. Fast schon ein Hörspiel".
Zwei weitere Auszeichnungen gingen an die Journalistinnen Britta Richter und Nadja Rupnow. Richter bekam den Preis für ihr Hörfunkfeature "Wir halten zusammen - eine junge Frau zwischen schweren Schicksalsschlägen und dem Wunsch, glücklich zu sein". Der Beitrag wurde ebenfalls im SWR gesendet.
Die JB-Jury lobte: "Das Feature portraitiert und hinterfragt gleichzeitig die Familie der Autorin, die unter dem Eindruck von Tod und Krankheit sehr eigene Strukturen entwickelt hat". Die dritte Nachwuchspreisträgerin, Nadja Rupnow, ist feste freie Mitarbeiterin von Radio Bremen. Sie erhielt die Auszeichnung für ihre Toncollage "Verlobung im Altersheim". "Wer alte Menschen mit einer nahenden Endstation und depressivem Sich-Gehen-Lassen gleichsetzt, wird hier eines Besseren belehrt", befanden die Jurorinnen des Journalistinnenbundes.
Weitere Infos unter: www.journalistinnenbund.de
(Quelle: Journalistinnenbund)